Piqd: „Bio-Version von Facebook“ geht international

Kuratierte Inhalte statt Algorithmen:  Piqd vertraut bei der Auswahl interessanter Artikel auf Experten. Nun rollt das Münchner Startup international aus und versucht sich an einem Bezahl-Modell.

Kaum eine Gegenwartsdiagnose kommt im Moment ohne das Problem der Filterblasen aus: Wir bekommen von den sozialen Algorithmen nur jene Inhalte serviert, die zu unserer Überzeugung passen. So bestätigt das soziale Netzwerk uns in dem, was wir schon immer zu wissen glaubten, andere Weltbilder kommen in unserer Wahrnehmung nicht mehr vor. Das Ergebnis ist soziale Spaltung und das Ende des vernünftigen öffentlichen Diskurses, so zumindest die verbreitete Diagnose. Medientheoretiker Norbert Bolz kritisiert im aktuellen Cicero nicht zu Unrecht eine „Rhetorik der Vernichtung“ in den sozialen Medien.

„Kein Hass, keine Hetze, keine Fake News“

Piqd tritt mit sorgsam kuratierten journalistischen Artikeln gegen Filterblasen und „Fake News“ an: 140 „Piqer“ genannte Experten empfehlen den 35.000 deutschen Piqd-Kunden hochwertige Artikel in einem Newsletter. Chefredakteur Frederik Fischer sagt:

„Wir sagen unseren Lesern nicht einfach was sie lesen sollen, sondern auch, warum ein Beitrag relevant ist. Die persönlichen Empfehlungen schaffen ein vertrauenswürdiges Angebot und bieten Orientierung jenseits von Fake News und Manipulation.“

Marcus von Jordan, Geschäftsführer von piqd, beschreibt sein Unternehmen als:

eine Art Bio-Version von Facebook. Bei uns gibt es keinen Hass, keine Hetze, keine Fake News.“

Der digitale Kaffeehaus-Intellektuelle

Das junge Unternehmen nennt sich ein wenig angestaubt auch die „Online-Programmzeitung für hochwertigen Journalismus“.  Die Fernsehprogramm-Metapher wirkt etwas unglücklich, da Leser hochwertigen Journalismus wohl eher nicht die biedere Spalten-Übersichtlichkeit über das dargebotene Programm suchen, sondern interessante Empfehlungen durch Kuratoren mit Gesicht und einer eigenen Haltung. Und genau das bietet Piqd. Am ehesten entspricht das dem belesenen Bekannten, der immer die spannendsten, interessantesten oder kontroversesten Artikel kennt und empfiehlt. Oder kurz gesagt: Piqd bietet eine digitale Version des Kaffeehaus-Intellektuellen.

Personalisierte Empfehlungen kosten

Vergangene Woche verkündete Piqd nun zwei Neuerungen: Erstens ging zusätzlich zum deutschen Angebot auf piqd.de die englischsprachige Seite piqd.com online. Fischer erklärt dazu:

„Die internationale Version von piqd ist unser bescheidener Versuch, dem Polarisierungstrend entgegenzutreten, indem wir den Kontext wieder sichtbar machen. Es ist ein Schaufenster für herausragenden Journalismus. Und davon gibt es immer noch reichlich, trotz der fortschreitenden Medienkrise.“

Außerdem versucht sich das Startup an einer Monetarisierung seiner Dienstleistung — bekanntlich ein schwieriges Unterfangen in der Medienbranche. Wer täglich eine personalisierte Empfehlung in Form eines Newsletters haben möchte, muss künftig dafür zahlen. Der monatliche Beitrag von drei Euro wirkt allerdings sehr bescheiden. Und dabei darf man nicht vergessen: Die Melange im Kaffeehaus ist auch nicht günstiger.

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