Ob Mobile World Congress, CeBIT oder SXSW: Das Internet of Things (IoT) zählt gegenwärtig zu den heißesten Digitalthemen. Wie eine gelungene und erfolgreiche IoT-Lösung aussehen kann, zeigt tado°. Das Münchner Startup bringt Heizungen und Klimaanlagen das Denken bei und beweist ganz nebenbei: Richtig umgesetzt sind vernetzte Produkte ihren analogen Vorgängern haushoch überlegen.
Wer kennt das nicht: Wir kommen in der kalten Jahreszeit nach Hause und die Wohnung ist eiskalt. Bis die eigenen vier Wände auf eine angenehme Temperatur gebracht sind, kann es dann schon etwas dauern. Besonders verfrorene Zeitgenossen lösen das Problem ganz pragmatisch und lassen die Heizung auch laufen, wenn niemand zuhause ist. Diese Lösung ist jedoch nicht nur schlecht für das eigene Klima-Karma – sie schlägt sich auch deutlich in der Heizkostenabrechnung nieder. In wärmeren Gefilden findet sich dasselbe Problem im Sommer: Die Klimaanlage braucht einige Zeit, die aufgeheizte Wohnung auf eine erträgliche Raumtemperatur zu bringen.
Die schlaue Heizung
tado° hat dafür die Lösung: Die tado°-App sammelt Daten über die Anforderungen ihrer Nutzer und verknüpft diese mit öffentlich zugänglichen Informationen wie Wetterdaten. Ein Algorithmus verarbeitet das Wissen und steuert auf dieser Basis die Heizungen und Klimaanlagen. Praktisch bedeutet das: Die App weiß, wann der letzte Bewohner das Haus verlassen hat und regelt die Heizung runter. Befindet sich ein Bewohner am Abend auf dem Heimweg von der Arbeit, heizt tado° die Wohnung abhängig von der erwarteten Außentemperatur auf. Dies alles geschieht automatisch, der Nutzer muss sich um nichts kümmern. Das Beste daran: Die smarte Heizung ist nicht nur komfortabel, sondern spart auch noch bares Geld. Mehrere hundert Euro könnten Privathaushalte jährlich sparen, so tado°-CEO Christian Deilmann im Interview mit Munich Startup.
Wie alle IoT-Lösungen basiert das System auf der Verwendung und Weiterverarbeitung von Daten. So erhalten nach Zustimmung der Nutzer Installateure über ein Fernwartungsportal Betriebsdaten, etwa zum Wasserdruck oder zu Fehlercodes der Heizanlagen. Die Handwerker können dann direkt mit den Kunden in Kontakt treten und sie über die Fehlfunktion informieren und passende Ersatzteile bestellen.
Für tado° besitzt das Thema Datensicherheit dabei eine hohe Priorität: Zum Schutz der verarbeiteten Daten setzt das System auf dieselben Sicherheitsstandards wie Online-Banking. Ohne Zustimmung werden keine Informationen an Dritte weitergegeben. Deilmann erklärt:
„Wir gehen sorgsam mit den gesammelten Daten um. Es ist uns wichtig, dass unsere Kunden uns absolut vertrauen können, so wie sie auch ihrem Arzt oder ihrer Bank vertrauen.“
IoT als Megatrend
Im Internet der Dinge sieht Deilmann einen Megatrend, der unser Leben unmittelbar beeinflussen wird:
„Vernetzte Produkte sind herkömmlichen stark überlegen und die Technik wird immer günstiger. Ob Auto, Heizung oder Alarmanlage – viele Dinge in unserem Alltag werden zu Online-Produkten.“
Der Trend schlägt sich auch in den Geschäftszahlen nieder: tado° erzielt derzeit einen achtstelligen Umsatz und steigerte diesen im vergangenen Jahr um 350 Prozent. Das Unternehmen beschäftigt rund 100 Mitarbeiter und ist in zwölf europäischen Ländern präsent. Seit Kurzem besteht eine Vertriebskooperation mit o2 in Großbritannien und AT&T in den USA.
Aller Anfang ist schwer
Vor sechs Jahren nahm tado° seinen Anfang: Christian Deilmann kam die Idee während seines Studiums am MIT. Wieder daheim in Deutschland, holte er Johannes Schwarz, einen Studienfreund von der TU München, Valentin Sawadski und später auch Leopold von Bismarck ins Boot. 2010 testete das Team die ersten Prototypen in den eigenen vier Wänden und gründete im Jahr darauf tado°. Zuerst investierte das Gründerteam die persönlichen Ersparnisse. Schnell wurde klar, dass sie sich dem Projekt in Vollzeit widmen mussten und sie kündigten ihre Jobs. Gehälter zahlten sich die Gründer anfangs keine. Um die Produktentwicklung zu finanzieren, bemühten sich die Jungunternehmer um öffentliche Fördermittel und Venture Capital:
„Es war für uns ein Riesenschritt, unsere Jobs aufzugeben. Irgendwann wird die Luft finanziell natürlich dünn. Wenn wir dann nichts bekommen hätten, wäre der Ofen erstmal aus gewesen.“
Doch es kam anders: EXIST sagte ein Gründerstipendium zu und Deilmanns ehemaliger Arbeitgeber Target Partners bot Risikokapital an. Das Team hatte die Qual der Wahl, denn eine gesicherte Finanzierung über Venture Capital bedeutet den Ausschluss von der EXIST-Förderung. Das Ergebnis der Abwägung:
„Wir haben uns gegen EXIST und für Venture Capital entschieden, da dies für uns den schnelleren Wachstumspfad bedeutete.“
Geld alleine ist jedoch nicht alles – unbezahlbar war für die Gründer die Unterstützung durch das Münchner Netzwerk:
„Es gibt in München tolle Ansprechpartner und Mentoren, an die man sich wenden kann. Was uns total geholfen hat, waren die beiden Gründernetzwerke LMU Entrepreneurship Center und UnternehmerTUM. Sie haben uns kostenlose Büros gestellt, wir haben gemeinsam unsere Unterlagen geprüft und an den Pitches geschliffen.“
Als Nebeneffekt der Zusammenarbeit mit den Netzwerken, so Deilmann, konnten die Gründer auch gleich das nötige Selbstbewusstsein aufbauen.