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Warum gründen ForscherInnen so selten?

Eine von der Joachim Herz Stiftung finanzierte und vom Entrepreneurship Research Institute der Technischen Universität München (TUM) durchgeführte Studie erforscht, welche psychologischen Faktoren den Gründungsprozess bei WissenschaftlerInnen beeinflussen. Die Studie kommt zu drei konkreten Handlungsempfehlungen.

WissenschaftlerInnen entwickeln oft Ideen und Technologien, die das Potenzial für neue Produkte und Dienstleistungen haben. Allerdings finden Ausgründungen an deutschen Hochschulen im internationalen Vergleich eher selten statt. Eine von der Joachim Herz Stiftung finanzierte und vom Entrepreneurship Research Institute der Technischen Universität München (TUM) durchgeführte Studie erforscht, welche psychologischen Faktoren den Gründungsprozess bei WissenschaftlerInnen beeinflussen. Drei Jahre lang befragten und beobachteten die ForscherInnen deutschlandweit akademische GründerInnen. Sie fanden heraus: Eine spielerische Herangehensweise begeistert für Unternehmertum, klare Prozesse verhindern Frustration im Team und WissenschaftlerInnen müssen sich auf unternehmerisches Denken einlassen.

„Deutschland ist weltweit einer der Top-Standorte für Forschung und Innovation. Doch wissenschaftliche Erkenntnisse werden kommerziell zu wenig genutzt. Dabei haben sich die Rahmenbedingungen für eine Gründung, wie etwa die Finanzierung, stark verbessert“,

so Dr. Henneke Lütgerath, Vorstandsvorsitzender der Joachim Herz Stiftung.

„Die Studie macht klar, dass gute Ideen oftmals an der Einstellung und ungeklärten Konflikten im Gründungsteam, Emotionen und Frustrationen scheitern. Die Ergebnisse sollen helfen, neue Lehr- und Trainingsformate zu entwickeln und so die Anzahl und den Erfolg der Unternehmensgründungen aus der Wissenschaft zu steigern.“

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die folgenden Punkte berücksichtigt werden müssen, damit ForscherInnen zu erfolgreichen GründerInnen werden:

1. Unternehmerisches und wissenschaftliches Denken vereinen

Entscheiden sich WissenschaftlerInnen für eine Gründung, müssen sie die Kluft zwischen der akribischen Denkweise als ForscherIn und der pragmatischen Herangehensweise als UnternehmerIn überwinden. Vielen fällt dies schwer. Sie legen ihren Fokus auf die Entwicklung ihrer Technologie und weniger auf die Erfüllung von Kundenbedürfnissen.

2. Klare Prozesse verbessern die Zusammenarbeit

Erfolgreiche GründerInnen schaffen es, Wissen aus verschiedenen Disziplinen mithilfe klarer Arbeitsprozesse zusammenzuführen. Interdisziplinäre Gründungsteams konnten laut der Studie von ihren unterschiedlichen Expertisen profitieren, wenn sie ihr Wissen auf der Grundlage fest vereinbarter Austauschformate teilten. Hier gibt es noch großen Nachholbedarf: Nur einem Drittel der untersuchten Teams gelang es, das vorhandene Expertenwissen der einzelnen Mitglieder vollständig zu nutzen.

3. Mit spielerischen Formaten begeistern und mit individuellem Coaching unterstützen

Hochschulen starten die Entrepreneurship-Ausbildung am besten spielerisch. Interdisziplinäre Formate wie Makeathons, bei denen Gründungsteams über einen Zeitraum von drei Tagen bis zwei Wochen eine unternehmerische Idee und ein Produkt entwickeln, vermitteln nicht nur Wissen, sondern vor allem Spaß an Unternehmertum. Der spielerische Charakter hilft dabei, erste unternehmerische Fertigkeiten wie gute Planung und Denkweisen wie die Nutzerorientierung zu entwickeln. Viele TeilnehmerInnen identifizieren sich als Ergebnis dieser Lernerfahrung stark mit der Rolle als UnternehmerIn und setzen ihre Gründungsidee um.

Individuelle Förderung und teamorientiertes Coaching

Prof. Nicola Breugst, Professorin für Entrepreneurial Behavior, und Prof. Holger Patzelt, Professor für Entrepreneurship, leiteten die Studie am Entrepreneurship Research Institute. Sie bauten ein interdisziplinäres Forschungsteam aus den Bereichen Anthropologie, Entrepreneurship, Psychologie und Wirtschaftswissenschaften auf. Die verschiedenen Herangehensweisen sollten es ermöglichen, Forschungs- und Datenerhebungsmethoden neu zu kombinieren und den Forschungsgegenstand aus unterschiedlichen Perspektiven zu untersuchen.

Für die Studie wurde eine Online-Umfrage unter 128 Gründungsteams durchgeführt, 52 Teams in einem experimentellen Setting und TeilnehmerInnen mehrerer Makeathons beobachtet sowie Gründungsteams und GründungsberaterInnen im Inkubator der TUM befragt.

„Gründungsteams, die ernsthaft mit ihrer Gründung weiterkommen wollen, brauchen eine individuelle Förderung. Ergänzend zur Beratung wirtschaftlicher Aspekte ist ein persönlichkeits- und teamorientiertes Coaching ratsam. Dies hilft, bei Konflikten und Unstimmigkeiten zwischen den Teammitgliedern zu vermitteln und Kompetenzen aufzubauen, damit Scheitern im Team nicht zu einem Firmenscheitern führt. Das zeigen unsere Ergebnisse deutlich“,

so Prof. Breugst.

Viele GründungsberaterInnen betreuen an den Hochschulen oft über 20 Teams gleichzeitig. Ihnen bleibt wenig Zeit, neben der wirtschaftlichen Beratung auch auf psychologische Dynamiken in den Gründungsteams einzugehen. Zudem stellen manche Gründungsteams im Beratungsgespräch ihren Fortschritt – teils unbewusst – zu positiv dar. BeraterInnen, die für teampsychologische Effekte und ihre Auswirkungen sensibilisiert sind, können Widersprüche in der Selbstdarstellung von Teams leichter erkennen und frühzeitig handeln. Voraussetzung ist dafür auch die räumliche Nähe zu den Gründungsteams und ein Methoden-Training, das praxisorientiert vermittelt, wie man teampsychologische Effekte und ihre Auswirkungen erkennen und moderieren kann.

Gründungskultur, Kollaboration und Coaching als Erfolgsgarant

Aus den Ergebnissen leiteten die ForscherInnen Empfehlungen für die Gründungsförderung an Hochschulen und Instituten ab. Als Grundlage haben sich die Verankerung von Entrepreneurship an der Hochschule durch die Hochschulleitung, sichtbare Gründungsvorbilder aus dem Hochschulumfeld und Freiräume für unternehmerische Ideen, wie Gründungs-Sabbaticals, bewährt. Eine positive Gründungskultur an Hochschulen benötigt zudem fakultätsübergreifende Zusammenarbeit in Projekten – auch mit der Industrie.


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