re:publica 2017 — Menschenrechte, Startups und ein Bällebad

Wie jedes Jahr lädt die re:publica die digitale Gesellschaft nach Berlin, zur Reflexion über sich selbst. Wir sind in die Hauptstadt gereist und berichten von dort aus über die Großkonferenz!

Bei der Frage, was die re:publica denn eigentlich sei, denkt man schnell an die  „Digitale Boheme“, an Speaker wie Sascha Lobo und Edward Snowden, die Piratenpartei, an Turnbeutel und Notebooks — irgendwie hip, digital und dabei so  relevant, dass selbst die nicht-digitale Welt einige Tage nach Berlin blickt. So zumindest der naive Eindruck.

Zum einen hat sich aber in den vergangenen Jahren die Digitalisierung so weit verstärkt, dass man schon längst keine digitale von einer vor-digitalen Welt unterscheiden kann. Und passend dazu ist auch die re:publica thematisch gewachsen. Längst geht es neben klassischen Digitalthemen auch um Politik, Kultur, Wirtschaft, Kunst, und so fort — eben um Gesellschaft. Unternehmertum, Startups, disruptive Technologien und  deren Auswirkungen zählen dabei naturgemäß mit zu den zentralen Diskussionspunkten.

Geschäftsideen aus dem Bällebad

Wie schon in den letzten Jahren findet die re:publica in der STATION Berlin statt, einem  ehemaligen Postbahnhof in Kreuzberg. Auf dem riesigen Gelände tummeln sich 8.000 Besucher, 770 Speaker sprechen an drei Tagen auf 17 Bühnen.

Gleichzeitig und am selben Veranstaltungsort findet mit der Media Convention Berlin eine Art Zwillingskonferenz statt — eng verwachsen mit der re:publica, im Besucherticket enthalten und doch als eigene Veranstaltung wahrnehmbar. Der zusätzliche Medienfokus macht Sinn: Schließlich stellt die Medienbranche gefühlt und nach den offiziellen Zahlen die stärkste Besuchergruppe.

Auch die bayerische und Münchner Medienbranche ist in Berlin präsent. Das Media Lab Bayern, das MedienNetzwerk Bayern und das Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft der Landeshauptstadt München  teilen sich einen Stand in der Haupthalle. Wer möchte, taucht dort in ein Bällebad ein und sucht fünf verschiedenfarbige Fläschchen. In diesen befinden sich Zettel, die kombiniert eine einzigartige Geschäftsidee für ein Medien-Startup ergeben. Ein Startup-Zufallsgenerator sozusagen.

Menschenrechte und Startups

Die letzten Ausgaben von re:publica und Media Convention konnten mit prominenten Speaker aufwarten. So auch diese Jahr: Zum Start der Konferenz warb Can Dündar, im Berliner Exil lebender Ex-Chefredakteur von Cumhuriyet, für Solidarität mit inhaftierten Journalisten. Ebenfalls sprachen gleich am ersten Tag der Menschenrechtsaktivist und ehemalige Schachweltmeister Garri Kasparow, ZDF-Anchorman Claus Kleber und Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries.

Kasparow beschäftigt sich intensiv mit künstlicher Intelligenz, Mensch-Maschine-Interaktionen (man denke  an seine legendären Schachpartien gegen den IBM-Supercomputer Deep Blue) und verteidigt im Rahmen seiner Arbeit für die Human Rights Foundation die individuellen Menschenrechte. Er vereint im Grunde einige der Kernthemen der Konferenz in seiner Person. Dementsprechend groß auch der Andrang bei seiner Rede zur Rolle freier Informationen für die Demokratie und die gegenwärtige Rolle der Propaganda in totalitären Regimes. Schon vorab lotete er im kleinen Kreis einer Pressekonferenz gemeinsam mit  Ondrej Vlcek, CTO von Avast, den Zusammenhang von Cybersecurity und künstlicher Intelligenz aus.

In einem „Townhall Meeting“, also einer offen Fragerunde, stellte sich die noch recht neue Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries dem Publikum. Sie warb zunächst für die hauseigenen Förderinstrumente wie EXIST und INVEST und verwies stolz auf die Digital Hub-Initiative.  München wurde hierbei als Deutschlands Digital-Hub für den Bereich Mobility ausgewählt. Kürzlich verkündete die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, dass  der Münchner Hub außerdem um den Themenschwerpunkt InsurTech erweitert wird.

re:publica 2017

Mehrere Fragesteller aus dem Publikum beschwerten sich dagegen, dass ihre Stadt oder ihr Land bei der Vergabe der Digital-Hubs leer ausgegangen war. Die Ministerin versprach, das  bei der  künftigen Vergabe weiterer Hotspots zu berücksichtigen. Auch sonst gab sich Zypries vor dem Startup-affinen Publikum gelehrig  und versprach zu prüfen, ob EXIST nicht noch stärker für Zielgruppen jenseits der  Hochschulabsolventen geöffnet werden könnte.

An Zypries‘  Auftritt vor der Startup- und Digitalszene zeigt sich, dass  die auf der re:publica verhandelten Fragen längst zu den Kernthemen einer Bundeswirtschaftsministerin gehören.

weiterlesen ↓