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CeBIT 2017: Vom Liefer-Roboter bis zum HighTech-Lumpensammler

An meinem zweiten Tag auf der CeBIT springe ich morgens förmlich aus dem Bett. Eins ist mir klar geworden: Hier gilt es, jede Sekunde zu nutzen, die man hat. Denn das Angebot ist groß, sehr groß!

Wieder auf der Messe angekommen und noch vor dem ersten Kaffee, schon der erste „Schock“: Ein kleiner, fahrender Roboter mit sechs Rädern rollt geradewegs auf mich zu. Ich muss zugeben, die Situation überfordert mich kurzzeitig. Doch schnell wiegt mich ein Hermes-Mitarbeiter in Sicherheit: „Der fährt nirgends gegen, der hat Sensoren und Kameras, damit nichts passiert.“ Das hat etwas vom ewigen Hundebesitzer-Mantra „Der tut nix!“

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Aber tatsächlich hält der, wie ich kurz darauf lerne, neue Liefer-Roboter von Hermes kurz vor meinen Füßen an und macht kehrt. Was auf mich befremdlich wirkt, wird in Hamburg bereits pilotmäßig getestet. Zwei Roboter sind dort derzeit im Einsatz und liefern Pakete an Testkunden aus. Das erste Fazit fällt laut Hermes positiv aus und eine Erweiterung des Programms auf andere deutsche Großstädte ist schon in Planung. Man darf also gespannt sein, wann diese kleinen Kerle Münchens Straßen unsicher machen. Es bleibt zu hoffen, dass die Münchner dann etwas cooler mit der ungewöhnlichen Begegnung umgehen als ich.

Autonomes Fahren on demand

Einen weiteren Blickfang bei der SCALE11 liefert die Deutsche Bahn und zeigt damit gleichzeitig, dass man sich in Zukunft nicht auf den Schienenverkehr reduzieren lassen möchte. Ein autonom fahrender Kleinbus, den die Besucher genauestens unter die Lupe nehmen und auch betreten können, soll in Zukunft Lücken im öffentlichen Nahverkehr in ländlichen Regionen schließen. Gerade nachts soll das Gefährt on demand von großem Nutzen sein. Als Beispiele werden bei der Präsentation der DB feuchtfröhliche Kegelabende und Vereinsfeiern genannt, nach denen das Heimkommen nachts um drei schon mal schwierig werden kann.

Die DB präsentiert ihr Konzept zum Autonomen Fahren on demand
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Mir als Landkind leuchtet die Problematik ein und auch die Besucher um mich herum nicken verständnisvoll. Der Markt ist also schon mal da. Die Bahn plant derzeit ein Pilotprojekt in Bayern, die tatsächliche und flächendeckende Umsetzung soll dann in drei bis fünf Jahren realisiert werden. Solange müssen sich viele Kegelclubs und Fußballvereine wohl noch gedulden und ohne hochtechnologischen „Lumpensammler“ auskommen.

Neben derartigen Highlights freue ich mich — gerade nach den ganzen Roboter-Erfahrungen — auch mal wieder ein paar bekannte Gesichter anzutreffen. Denn auch viele Münchner Gründer sind auf der CeBIT 2017 vertreten. Das Fazit der Startups aus der bayerischen Landeshauptstadt fällt durchweg positiv aus:

André Leimbrock, Kaufmännischer Geschäftsführer Dynamic Components:

„Die CeBIT ist für uns immer ein gutes Vehikel, neue Kunden zu akquirieren. Wir haben bereits in der Vergangenheit hier sehr gute Geschäfte gemacht, sowohl in Sachen Partner finden als auch im Bereich Kunden. Auch dieses Jahr haben wir wieder einige sehr gute Kontakte geknüpft und erhoffen uns auch davon, wieder gute Geschäfte machen zu können. Was ich an der SCALE11 besonders gut finde, ist, dass versucht wird, die Gründer über die verschiedensten Formate mit den Kunden in Kontakt zu bringen. Das können auf der einen Seite natürlich Pitch-Formate sein, andererseits gibt’s aber auch Sachen wie Matchmaking durch Speeddating usw. Sehr gut gemacht.“

Dynamic Components sind gerade bei der Deutschen Bahn — mit der sie bereits zusammenarbeiten — im Pitch um einen größeren Rollout.

Startups mit hoher Qualität

Jan C. Küster, Founders Fight Club:

„Wir haben das Glück, bereits zum zweiten Mal beim SCALE11 dabei sein zu dürfen. Schon im letzten Jahr waren wir mit unserem Founders Fight Konzept hier und haben wohl Eindruck schinden können. Dieses Jahr machen wir noch ein bisschen mehr: Wir gestalten eine gesamte Startup-Bühne, d.h. Wir erleben das Wachstum des Startupbereichs hier hautnah mit: zum einen sind wesentlich mehr Startups dabei, zum anderen ist auch die Qualität und Innovationskraft hier sehr hoch. Da sieht man, dass Corporates „ihre“ Startups mitgebracht haben, die natürlich auch schon über einen höheren Reifegrad verfügen. Aber auch im Publikum sieht man sehr viele junge interessierte Menschen, natürlich auch andere junge Startups und, was auch sehr wichtig ist, viele Investoren und Corporates, denen dieses Thema mittlerweile auch sehr am Herzen liegt und die da Bock drauf haben.“

Für das nächste Jahr hat sich Jan auch schon neue Ziele gesteckt:

„Im nächsten Jahr wollen wir nochmal ein bisschen mehr machen, das heißt unsere Formatvarianz noch ein bisschen erhöhen. Wir erleben immer noch sehr viele Startups, die sich mit dem klassischen Pitch präsentieren. Das wurde irgendwann mal so angelernt… einfach nur Slides zu zeigen. Das zieht aber nicht mehr viele Leute. Wir haben dieses Jahr wieder unsere Founder Fights und Panel-Diskussionen, das sind schönere Methoden, das Wissen zu teilen. Nächstes Jahr wollen wir dann jeden Beitrag filmen und live streamen, sodass man sich auch aus unserer Heimat München direkt virtuell auf die SCALE11 schalten kann.“

Werden Messen irgendwann irrelevant?

Hans-Joachim Scharf von NavVis, Account Manager NavVis:

„Die CeBIT gefällt mir sehr gut. Abgesehen von der Messe an sich und der tollen Aufmachung des Ganzen, lernt man hier sehr sehr gute Kontakte kennen, es ist großes Interesse da. Am Dienstag wurde noch unsere Kooperation mit der Telekom, die für uns ein riesiger Schritt ist, bekanntgegeben. Wir sind also auch noch in einer anderen Halle am Telekom-Stand vertreten und ich finde es bemerkenswert, dass hier in der Startup-Halle nicht weniger los ist als bei den großen Corporates und dass die Leute auf solche innovativen Produkte wie sie auch hier vorgestellt werden, richtig Lust haben. Das freut uns sehr.“

Im Gespräch fragten wir Hans-Joachim: Wie wichtig sind solche Messen noch für Euch? Kann es sein, dass Ihr schon bald sagt, „das haben wir nicht mehr nötig!“ ? Oder seid Ihr nächstes Jahr wieder am Start?

„Also wir waren letztes Jahr am Start, sind dieses Jahr am Start und werden wohl auch nächstes Jahr wieder am Start sein, weil es – trotz unserer steigenden Bekanntheit – laufend neue Leads und Kontakte gibt, die wir noch nicht kennen. Deswegen denke ich, dass wir nächstes Jahr auch wieder hier sein werden, weil diese Messe immer noch sehr interessant und auch relevant für uns ist.“

Wie genau sieht die Kooperation mit der Telekom aus bzw. was bedeutet sie für Euch?

„Die Telekom hat natürlich Kontakte zu ihren Firmenkunden, zu wirklich großen Unternehmen, zu denen wir jetzt noch keinen direkten Zugang haben. Zum Beispiel große staatliche Unternehmen, bei denen man sich als Startup in der Ansprache normalerweise natürlich ein bisschen schwerer tut. Zusätzlich kann die Telekom die Datenaufnahme, die Weiterbearbeitung und das Hosting alles aus einer Hand anbieten und somit das komplette Rundum-sorglos-Paket anbieten, was natürlich einfach nur super interessant und spannend ist.“

Besser als gedacht

Felix Meißgeier, Co-Founder und Head of Technology bei VISCOPIC:

„Es läuft echt gut. Wir hatten sehr viele interessante Gespräche, tatsächlich mit mehr größeren Firmen als wir ursprünglich gedacht hätten. Wir haben auch sehr viel positives Feedback zur HoloLens bekommen, die wir mitgebracht haben. Wir sind wohl einer der wenigen Stände hier, wo man das tatsächlich auch ausprobieren kann, das kommt gut an. Ansonsten ist das die erste große Messe-Erfahrung für uns. Das ist natürlich dementsprechend spannend und hat sich jetzt schon für uns gelohnt.“

VISCOPIC scheinen jedenfalls auf  den Geschmack gekommen zu sein. Für Mai planen die Münchner bereits die nächste Messe: Die VR-World in London.

Tarek Ouertani von ProGlove (allerdings nicht bei SCALE11, sondern am Bitkom-Stand „Get started“):

„Wir haben hier eine große Resonanz. Sehr viele Leute interessieren sich für uns und unseren smarten Handschuh. Aber nicht nur generelles Messepublikum, sondern auch sehr viele Kunden oder potentielle Kunden, die wir hier direkt ansprechen konnten. Echt gut!“

Das Thema „Messe“ ist für die  ProGlove-Gründer ein stetiger Begleiter. Auf Events wie der CeBIT zu fehlen, können sie sich nicht vorstellen.

„Wie man hier sieht: wir stehen gegenüber von der Telekom! Wenn die es sich noch nicht mal leisten, auch nur eine bedeutende Messe auszulassen, dann dürfen wir ganz sicher auch nicht so denken. Es ist einfach so: unsere Kunden sind ‚Messe-getrimmt‘ bzw. ‚Event-getrimmt‘. Das sind die Orte, wo sich ausgetauscht wird, wo nach neuen Lösungen gesucht wird. Und deswegen werden wir auch immer als Ansprechpartner bei derartigen Veranstaltungen vor Ort sein.“

CeBIT kann vieles, aber nicht alles

Als objektiver Betrachter kann ich mich den Gründern nur anschließen, dass die CeBIT definitiv einen Besuch wert ist. Ob Messebesucher, Aussteller, Corporate oder Investor. Alle kommen auf ihre Kosten. Näher am Zahn der Zeit als bei einer solchen Veranstaltung kann man kaum sein.


Die nächste CeBIT wird übrigens in einer Sommer-Edition stattfinden, vom 11.-15. Juni 2018. Und zwar als Innovation Festival, wie die Veranstalter es nennen.

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Zum Ende meines Besuchs kommen fast sogar Heimatgefühle auf, als ich auf dem Messegelände plötzlich vor der „Münchner Halle“ stehe. Darin spielt eine bayerische Coverband, eine weiß-blaue Bierzeltatmosphäre soll hier wohl geschaffen werden, zu trinken gibt es Löwenbräu. Ich bin schon fast geneigt, mir einen Platz zu suchen und noch ein wenig zu verweilen. Doch als mein Blick auf die 0,5er Krüge fällt, beschließe ich — dankbar für die tolle Erfahrung — die nun offensichtlich überfällige Heimreise ins schöne München anzutreten. Die CeBIT kann wirklich vieles, aber eben doch nicht alles.

Die Münchner Halle auf dem Gelände der Messe Hannover
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Hier geht’s zum ersten Teil: CeBIT 2017 – Startup Heaven SCALE11

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Florian Deglmann

Der Exil-Nürnberger erforschte bis April 2019 als Redakteur die Münchner Startup-Szene.

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