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MeisterLabs schnuppert Valley-Luft: Ein Erfahrungsbericht

Im Rahmen des Startup Europe Comes to Silicon Valley (SEC2SV)-Programms durfte das Münchner Startup MeisterLabs die Reise nach San Francisco antreten, um sich dort in Gesellschaft internationaler Startups zu präsentieren und ein bisschen Valley-Luft zu schnuppern. Oliver Huebler berichtet von seinen Erfahrungen jenseits des großen Teichs.

Die ersten Tage im Silicon Valley vergehen immer unglaublich schnell. Dutzende Termine, viele neue Eindrücke, kaum Schlaf und ein Gefühl, dass hier im Vergleich zu Deutschland oder Österreich alles wunderbar, so viel schneller und unkomplizierter vorangetrieben wird. Für jedes Problem, jede Aufgabe gibt es eine Lösung, meistens sogar gleich zwei oder drei davon.

Die Frage ist, ob wir wirklich eine Lösung für alle Aufgaben im Leben benötigen und ob wir alles automatisieren müssen. Wegen der hohen Gehälter, 10-12-stündigen Arbeitstagen und nur zwei Wochen Urlaub pro Jahr wird die Freizeit außerhalb der Arbeit komplett optimiert. Essen selbst kochen wird zum Luxus, und als Folge sprießen sogleich fünf Online-Services aus dem Boden, die einem vorgefertigte Zutaten mit Rezept als “Erlebnis” verkaufen und vor die Haustür liefern. Wäsche wird nicht in der eigenen Waschmaschine gewaschen, sondern lieber an Online-Pickup-Services vergeben, die mit aggressiven Rabatten und Einführungsangeboten um neue Kundschaft buhlen. Kundschaft, die sie unbedingt benötigen, da ja das 2 Mio. Dollar Investment gerechtfertigt werden muss.

Alles Services, die eine enorme Investmentsumme einsammeln, oft sehr schnell erfolgreich werden, teure Werbung auf allen Kanälen schalten, aber meistens auf den Rücken von vielen Menschen Gewinn machen. Menschen, die für einen geringen Stundenlohn den Großteil der Arbeit erledigen, auf die John von Superfortune 2000 keine Lust mehr hat.

Das Erfolgsrezept des Silicon Valley

Um nicht komplett in diese Welt hineingezogen zu werden, kann ich hier immer wieder auf unseren guten alten Hausverstand, gekoppelt mit einer gewissen Grundskepsis, verweisen. Wenn man sich dessen bewusst ist, kann man sich vollkommen den Erfolgsfaktoren von Silicon Valley Firmen widmen:

Alles fängt bei der Herangehensweise an Projekte an. Im deutschen Raum versuchen wir grundsätzlich Produkte komplett fertig zu entwickeln, bevor wir Sie auf den Markt werfen. Doch der Markt ist schnelllebig, und so kann es passieren, dass Kunden das Produkt in dieser Ausführung schon gar nicht mehr wollen oder der Trend schon längst verflogen ist.

Im Silicon Valley hat man mit dem sogenannten “Pivoting” anscheinend die goldene Lösung dafür gefunden. “Pivoting” bezeichnet das häufige Verwerfen von Ideen nach kurzem Test mit potenziellen Kunden. Oft gibt es noch gar kein wirkliches Produkt, sondern nur eine E-Mail-Warteliste für interessierte “Kunden”. Mit dieser Methode kann sehr früh mit ein paar schön entworfenen Screenshots, einem kostenlosen Newsletter-Service und ein paar in Facebook-Ads investierten Dollars geprüft werden, ob überhaupt Interesse an der Idee und Ausführung besteht, bevor Tausende Euro oder wertvolle eigene Zeit in die Entwicklung eines ersten Prototyps gesteckt werden. Das Konzept des “Pivoting” ist nicht neu, wird aber in Europa zu oft nicht genutzt. Dabei würden auch europäische Startups gut daran tun, ihre Ideen bereits im Anfangsstadium von potenziellen Kunden testen zu lassen, und die gewonnenen Daten daraus gewissenhaft zu analysieren, bevor sie weiter darin investieren.

„Made in Germany“ bleibt Gütesiegel, aber wir müssen umdenken

Sehr positiv ist, dass die deutsche Herangehensweise international nach wie vor ein Gütesiegel für Präzision ist, und wir diese Karte auch permanent ausspielen können.

Negativ aufgefasst wird hier aber meistens unser Hang zur Seriosität, Angespanntheit und Scheu, die wir uns wohl von der alten Generation abgeschaut haben. Wenn wir uns gegen Firmen im Silicon Valley behaupten wollen, müssen wir aber gerade im Startupbereich umdenken. Ein Informationsaustausch unter Firmen muss stattfinden und der Tunnelblick im Partnerschaftsbereich muss dringend abgeschafft werden. Im Silicon Valley werden gute Ideen gefördert und schaffen es manchmal innerhalb von einer Woche von der Kaffeehausschlange bis in ein Management-Meeting.

Von dieser unkomplizierten, effizienten Herangehensweise können wir viel lernen. Der Trick besteht darin, das Gelernte mitzunehmen und es dann mit der Sorgfältigkeit und Präzision, für die wir bekannt sind, umzusetzen. Wer es schafft, die unterschiedlichen Mindsets zu vereinen, seine eigene Identität zu bewahren und sich gleichzeitig weltoffen potenziellen Kunden und Partnern zu präsentieren, der hat die besten Voraussetzungen, um sich international durchzusetzen.

Oliver HueblerOliver Huebler (@OliverHuebler) ist der COO von MeisterLabs, der Firma hinter den international bekannten Apps MindMeister & MeisterTask, und lebt seit März 2016 in San Francisco.

 

 

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